Interview mit Marcel Liechti, Geschäftsleiter Neuronalfit.ch
Bewegung und Gehirntraining erhöhen die Lebensqualität
Grüezi Herr Liechti. Stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Hallo, ich bin der Gründer und Geschäftsführer von Neuronalfit, der ersten Schweizer Online-Plattform für personalisiertes, interaktives Gehirntraining. Ich habe an der Universität Zürich und ETH Zürich Mathematik studiert mit den Nebenfächer Informatik und Physik. Nicht nur Künstliche Intelligenz, sondern auch menschliche Intelligenz hat mich schon immer fasziniert, weswegen ich mich mit der Neuropsychologie auseinandergesetzt und mich zum Dipl. Gehirntrainer GfG ausgebildet habe. Aus dem gleichen Grund wurde ich auch Gymnasiallehrer und Dozent. Zurzeit belege ich Vorlesungen in Neuropsychologie an der UZH und Fernuni-Hagen.
Was bewirkt eigentlich Gehirntraining?
Genau dieser Frage widmen sich viele Wissenschaftler und sind zu dem nicht überraschendem Ergebnis gekommen: Wer sich lebenslang intensiv mit Neuem auseinandergesetzt hat, ist signifikant weniger gefährdet an Demenz zu erkranken oder erlebt eine höhere Lebensqualität als der Durchschnitt. Bekannte Beispiele sind Musiker, Mathematiker, aber auch Politiker. Wichtig: Die jüngste Erkenntnis ist: wer täglich nachhaltiges Gehirntraining absolviert, erlebt den gleichen Effekt. Verschiedene Studien haben dies zweifelsfrei belegt. Leichte, beginnende Demenz kann herausgezögert, jedoch nicht geheilt werden. Das trifft auch auf fortgeschrittene Demenz wie Alzheimer zu. Interventionen mittels Gehirntraining sind aus Sicht von Neuronalft.ch ein absolutes Muss.
Wie steht es mit Bewegung und geistiger Fitness?
Dies ist eine entscheidene Frage.
Seit die Wissenschaft den Nachweis erbracht hat (Prof. Gerd Kempermann), dass sich bei körperlicher Bewegung die Bildung neuer Nervenzellen begünstigt (adulte Neurogenese), wird Sport als das Allheilmittel gehandelt, das die Denkleistung erhöht, vor Altersdemenz schützt und sogar Depressionen heilen hilft. Das ist leider nur die eine Seite der Medaille! Bewegung lässt zwar Nervenzellen bilden und wachsen. Damit sie aber auch am Leben bleiben, braucht der Mensch viele geistige (kognitive) Anreize. Man muss wissen: Die Neurogenese ist auf den Hippocampus beschränkt. Letztere steuert unsere Lern- und Gedächtnisfähigkeit. Also gilt, das Gehirn mit vielen Anreizen zu füttern!
Gibt es da Erfahrungen?
Ja, die gibt es. Im Rahmen einer Untersuchung der Firma Bellicon und Neuronalfit wird in zwei Phasen die Wirksamkeit von Bewegung und Gehirntraining auf das Arbeitsgedächtnis (Working Memory ist der Sitz der flüssigen Intelligenz) untersucht. Die erste Phase ist bald abgeschlossen. Der Erfolg ist jetzt schon grösser als erwartet.
Wieso?
Der erzielte Zuwachs an flüssiger Intelligenz bei den Teilnehmern ist mit ca. 30 % im Durchschnitt höher als erwartet (wir haben mit 15-20 % gerechnet ). Das ist offensichtlich auf die hervorragenden Eigenschaften des „Bellicon“ zurückzuführen, welche in der Reha schon längst erkannt wurden. Dass dieser Effekt direkt auf das Gehirn durchschlägt wusste man nicht sicher. Jetzt ist der Effekt als Messung nachgewiesen worden. Dieses positive Resultat wurde durch umfangreiche Interviews absolut bestätigt. Das Interessante daran ist, dass die Interviews vor der Bekanntgabe der Messresultate stattgefunden haben. Die Beeinflussung ist somit praktisch ausgeschlossen. Diesen Effekt nennt man in der Neurologie auch Transfer. Wir sind jetzt gespannt auf die zweite Phase, welche zum Schwingen auf dem Bellicon ein paralleles Gehirntraining beinhaltet.
Wie kann man das Gehirn effektiv trainieren?
Indem man Bewegung und Gehirntraining kombiniert, also sogenannte Dual-Tasking übungen ausführt. Unter Dual-Tasking-Training versteht man das Lösen einer kognitiven (geistigen) Aufgabe, kombiniert mit einer aktiven Bewegung. Im Alltag ist man ständig mit Doppel- oder Mehrfachaufgaben konfrontiert. Einfache Beispiele sind: Beim Treppen hochsteigen den Hausschlüssel aus der Tasche holen, überqueren einer stark befahrenen Strasse während des telefonierens mit dem Handy!, SMS schreiben beim Durchqueren der dicht besetzten Bahnhofhalle, Radio hören während des Kochens anhand eines neuen Rezeptes, usw. Das Gehirn empfindet solche Doppelaufgaben als echte Herausforderung oder sogar Stress. Dieses Dual-Tasking-Training wäre speziell auch für Sportler extrem wichtig, zB Fussballer, Eishockeyaner, usw.
Wer offeriert solches Dual-Tasking-Training?
Meines Wissens in der Schweiz nur SwissJump. Aufbauend auf dem sehr erfolgreichen Trampolin-Versuch mit Neuronalfit, werden während dem Schwingen kognitive Gehirnübungen absolviert. Diese Art zu trainieren ist sehr anspruchsvoll dafür sehr effektiv.
Wie muss man sich das vorstellen?
Während des Schwingens werden auf dem vorgelagerten Tablett oder IPad (Zusatzeinrichtung auf dem Trampolin) gleichzeitig einfache Rechenaufgaben gestellt, die man während dem Schwingen möglichst schnell und richtig lösen muss. (zB. 15 – 5 : 2 x 4 = ?, dann die richtige Lösung aus einer Auswahl von Antworten antippen) Mit dem Training wird der Proband dies immer schneller mit schwierigeren Zahlen korrekt lösen können. Das Programm passt den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben nach dem Erfolg des Probanden an. Diese Methode nennt man adaptiv. SwissJump zusammen mit Neuronalfit.ch sind die ersten in der Schweiz, die ein solches Training anbieten. Gemessen wird der Gehirnfortschritt genau gleich wie im ersten Versuch mittels dem Test: LIE-KAI.
Zurzeit werden 6 Gehirnübungen inkl. Messung angeboten.
Wer ist eigentlich die Zielgruppe?
Prinzipiell alle Menschen, die möglichst lange geistig und körperlich fit sein wollen. Ich denke aber speziell an folgende Teilnehmergruppen: Senioren in Altersheimen (es gibt zum Trampolin auch Sicherheitsstützen), Personen, die Ergänzungen zum Fitnesscenter suchen, Jugendliche, die zur Fettleibigkeit neigen, Schüler, die ihre Schulleistungen merklich verbessern wollen, die meisten Personen in einer Reha, usw.
Sie könnten auch sagen Alle!
Natürlich, Sie haben Recht, Alle!
Auch Jugendliche? Das überrascht mich etwas.
Richtig, weil viele Jugendliche zu wenig Bewegung haben. Zweitens weil Bewegung und Gehirntraining das „Working Memory“ stärken, welches den sogenannten flüssigen IQ fördert, der wichtiger ist als der traditionelle IQ. Ich darf im November ca. 80 Lehrer einer Zürcher Volksschule schulen, wie nachhaltiges Gehirntraining inkl. Bewegung die Lernleistung in der Schule erhöhen kann.
Dann wird es in jeder Schulzimmer bald ein Mini-Trampolin geben?
Genau. Sobald der Nachweis erbracht ist, und daran arbeiten wir mit SwissJump, bin ich überzeugt, dass diese Botschaft wie ein Lauffeuer durch die Schulstuben geht.
Wieso sind Sie so sicher?
Weil man den Fortschritt eindeutig messen kann und weil dies in der Forschung seit ca. 10 Jahren ein Faktum ist. Prof. Tracy Alloway an der Universität California, hat genau das mit grossem Erfolg nachgewiesen. Wobei dieses Wissen vorläufig nur an Universitäten bekannt ist und noch kaum in der Öffentlichkeit.
Das werde ich mit grosser Spannung verfolgen, habe ich doch auch zwei Kinder auf der Mittelstufe, und ein Minitrampolin werde ich auch erstehen.
Das ist eine perfekte Investition für die ganze Familie. Tun Sie das!