Gehirntraining und Bewegung wirken gegen Alzheimer

Die FINGER-Studie. Mit gutem Recht werden Sie sich nun fragen, was FINGER nun mit Demenz oder Alzheimer zu tun haben soll. Wie so oft in der Wissenschaft ist es einfach nur eine Abkürzung.

Wofür steht FINGER?

FINGER steht für: Finnisch Geriatric Intervention Study to Prevent Cognitive Impairment and Disability. Frei übersetzt bedeutet das in etwa so viel bedeutet wie: Finnische geriatrische Interventionsstudie zur Vermeidung von kognitiver Beeinträchtigung und Behinderung. Klingt zunächst kompliziert, ist es aber eigentlich gar nicht.

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Demenzrisiko berechnen mit der CAIDE-Skala

Alle der etwas über 1200 Probandinnen und Probanden wiesen bei Studienbeginn ein etwas erhöhtes Risiko zur Erkrankung an Demenz auf der CAIDE-Skala auf. Mit der CAIDE-Skala kann das Risiko einer Demenzerkrankung in den nächsten 20 Jahren eingestuft werden, indem bestimmte Variablen – wie etwa das Verhältnis der Körpergröße zum Gewicht (der sogenannte Body-Mass-Index, kurz BMI) oder Blutdruck – berücksichtigt werden. Die FINGER-Studie erstreckte sich insgesamt über zwei Jahre. Das Alter der Testpersonen lag zwischen 60 und 77 Jahren.

Um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, wurden die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt: eine Behandlungsgruppe und eine Kontrollgruppe. Die Behandlungsgruppe erhielt neben gesundheitlichen Beratungen, regelmäßigen Überprüfungen des Herz-Kreislauf-Systems und notwendigen medizinischen Behandlungen eine Reihe von zusätzlichen Angeboten bzw. Aufgaben.

Diese beinhalteten körperliche Trainingseinheiten, eine durchgängige Durchführung von Denkaufgaben, eine umfassende Ernährungsberatung mit speziellen Vorgaben sowie eine sehr häufige Kontrolle des Herz-Kreislauf-Systems. Die Kontrollgruppe erhielt diese Sonderangebote nicht, sondern der Fokus lag hier auf der gesundheitlichen Beratung sowie notwendigen Behandlungen.

Ernährung, Sport und kognitives Training

Wie wirken sich eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige sportliche Betätigung, kognitives Training und eine regelmäßige Kontrolle des Herz-Kreislauf-Systems auf die mentale Leistungsfähigkeit aus?bildschirmfoto-2016-09-28-um-19-41-44

Damit Sie sich ein genaueres Bild von den Angeboten und Aufgaben der Behandlungsgruppe machen können, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten haben, hier noch ein paar inhaltliche Aspekte der Ausgestaltung:

Körperliches Training:

Die Sporteinheiten wurden zu Beginn von einem erfahrenen Physiotherapeuten angeleitet und begleitet. Es bestand aus Übungen zum Muskelaufbau, aerobem Training (mittlere Belastungsintensität mit 60-75% der maximalen Herzfrequenz) und Übungen, die die Körperbalance verbessern sollten. Anfänglich sollte das Trainingsprogramm aus ein bis zwei Besuchen im Fitnessstudio (à 30-45 Minuten) und zwei Einheiten aerobem Training pro Woche bestehen. Für das aerobe Training standen verschiedene Sportarten zur Auswahl, etwa rhythmische Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, Jogging, Wassergymnastik oder Nordic Walking. Im Laufe der zweijährigen Studiendauer sollten die Intensität und die Häufigkeit der Sportprogramme langsam aber stetig gesteigert werden.

Denkaufgaben:

Bildschirmfoto 2014-08-03 um 22.25.09Für das mentale Training wurde ein Computerprogramm genutzt. Zu Beginn standen einige gemeinsame Unterrichtseinheiten an, in denen es größtenteils um das Training von kognitiven Fähigkeiten ging, die als Strategien im Alltag nützlich sein können. Danach nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Programm selbstständig und absolvierten zwei bis drei Mal wöchentlich eine Trainingseinheit von etwa 15 Minuten. Inhaltlich war das Programm auf verschiedene Trainingsbereiche aufgebaut: Denkschnelligkeit, Gedächtnisleistung und Verbesserung der exekutiven Funktionen, welche dafür sorgen, dass wir schnell auf unbekannte Situationen reagieren können.

Ernährungsberatung:

Die Probandinnen und Probanden sollten sich an festgelegte Ernährungsvorgaben halten. Sie sollten wenig bis keine Transfettsäuren, raffinierten Zucker und Alkohol zu sich nehmen. Stattdessen lag der Fokus auf Obst und Gemüse, Rapsöl, zwei Mal wöchentlich Fisch und Vollkornprodukten. Vitamin D sollte in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zugeführt werden.

Obwohl diese Vorgaben einen gewaltigen Einschnitt in das Leben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bedeuteten, hielt der Großteil von ihnen die zweijährige Versuchszeit bis zum Ende durch. Lediglich 12% brachen ihre Teilnahme an der Studie ab, meist begründet in gesundheitlichen Problemen. Diese Tatsache ist ein Hinweis darauf, dass solch ein Programm realistisch in den Alltag von älteren Menschen integriert werden kann.

Ergebnisse der FINGER-Studie

Aber welche Ergebnisse konnten nun nach den zwei Jahren FINGER-Studie erzielt werden?

  1. Beide Gruppen konnten ihre kognitiven Leistungen verbessern.
  2. Die Behandlungsgruppe steigerte ihre mentale Fitness jedoch um 25% mehr als die Kontrollgruppe.
  3. Die Behandlungsgruppe hatte ein 30% geringeres Risiko, geistige Fähigkeiten abzubauen.

Dass auch die Kontrollgruppe ihre Fähigkeiten verbesserte, obwohl sie kein explizites Trainingsprogramm erhielt, klingt zunächst merkwürdig. Deshalb sei an dieser Stelle gesagt, dass Personen bei der zweiten Durchführung eines Tests meist besser abschneiden, einfach allein deswegen, weil der Test nicht mehr unbekannt ist. Außerdem hatte die Kontrollgruppe auch regelmäßige Termine beim Arzt, sodass hier vielleicht die eine oder andere Verhaltensänderung ganz freiwillig erfolgte.

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Wie sah nun aber die konkrete Leistungssteigerung der Behandlungsgruppe aus?

  • Lösen von komplexen Aufgaben (z. B. Auswendiglernen): 40% höhere Fähigkeiten als die Kontrollgruppe
  • Exekutive Funktionen: 83% besser als die Kontrollgruppe
  • Mentale Verarbeitungsgeschwindigkeit: 150% schneller im Lösen von Aufgaben als die Kontrollgruppe

Diese Ergebnisse zeigen, dass ein gesunder Lebensstil (mit ausgewogener Ernährung, Sport, Gehirntraining und regelmäßigen medizinischen Kontrollen) die mentale Leistungsfähigkeit enorm steigern kann.

Können die Alzheimer-Symptome verrringert werden?

Allerdings bleiben auch bei der FINGER-Studie Fragen offen. Welchen Einfluss haben die einzelnen Aspekte auf das Risiko einer Demenzerkrankung? Also kann das Risiko auch bspw. nur durch Sport oder nur durch gesunde Nahrung gesenkt werden? Und was ist mit denjenigen, die bereits Symptome einer Alzheimer-Erkrankung zeigen? Können die Symptome durch die Kombination der Studieninhalte verringert oder beseitigt werden?

Um diese Fragen zu beantworten, wurde die Studie um weitere sieben Jahre verlängert. Denn Demenz bzw. Alzheimer sind heimtückische Krankheiten, die nicht von heute auf morgen zu starken Symptomen führen. Vielmehr ist es ein schleichender Prozess, der sich übe viele Jahre hinstrecken kann. Im nächsten Forschungsabschnitt sollen neben Hirnscans auch regelmäßige Blutproben analysiert werden, um bspw. herauszufinden, ob durch das Trainingsprogramm auch alzheimertypische organische Prozesse – wie die Verringerung von Nervenzellverbindungen (Synapsen) – aufgehalten oder verändert werden können.

Was lernen wir daraus?

Schon viele Jahre ist die GfG Deutschland genau von den Tatsachen ausgegangen, die nun durch die FINGER-Studie endlich belegt werden konnten. Durch die randomisiert-kontrollierte Studie konnte bewiesen werden, dass ein gesunder Lebensstil, der sowohl Körper und auch Geist des Menschen berücksichtigt und beide immer wieder fordert und fördert, dazu führen kann, dass die kognitive Leistungsfähigkeit auch bis ins hohe Alter erhalten bleiben oder sogar noch verbessert werden kann.geistig-fit-IQ-Senioren1

Sie wissen, dass es im Laufe der Demenz bzw. der Alzheimer-Erkrankung zu Abbauprozessen kommt. Genau diesen müssen wir entgegen wirken. Die Forschung ist schon seit vielen Jahren ergebnislos damit beschäftigt, ein Medikament gegen Alzheimer zu finden. Also musste ein neuer Ansatz her, der nun in der FINGER-Studie seinen Platz gefunden hat. Wenn man schon nicht heilen kann, muss man doch wenigstens präventiv vorbeugen können!

Wir wissen schon lange, dass eine gesunde Ernährung unserem Körper sehr gut tut. Genauso lange wissen wir, dass auch körperliche Aktivität sehr gesund ist. Und explizites Gehirntraining hält – wie der Name schon sagt – unser Köpfchen auf Trab. In der FINGER-Studie konnten die positiven Effekte einer Kombination aus allen Aspekten nun eindeutig belegt werden.

Und nun frage ich Sie: wann beginnen Sie damit, einer eventuellen Demenzerkrankung den Kampf anzusagen? Ich wünsche Ihnen natürlich, dass Sie niemals mit solch einer Erkrankung zu tun haben werden. Aber Sie wissen nun auch, wie einfach es eigentlich ist, sich davor zu schützen. Hierbei ist es auch völlig egal, wie alt Sie sind. Es ist niemals zu früh. Und auch niemals zu spät. Nehmen Sie ihre Gesundheit einfach selber in die Hand!

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