Ein Beitrag von Marcel Liechti, Gehirntrainer GfG
Mit Arbeitsgedächtnistraining zum Schulerfolg? Klingt ja zunächst einmal sehr logisch. Wenn unsere Kinder und Enkel ein fittes Oberstübchen haben, dürfte Ihnen das Lernen in der Schule bestimmt leichter fallen. Wie aber genau können Arbeitsgedächtnistraining und Schulerfolg miteinander in Verbindung gebracht werden? Und macht Gehirntraining in solch jungen Lebensjahren überhaupt schon Sinn?
(Beachten den zweiteiligen Artikel: Dank Arbeitsgedächtnistraining fit für die Schule)
Bildung ist entscheidend
In unserer Gesellschaft kommen wir nicht darum herum, die Schulbank zu drücken. Nur sehr wenige Kinder gehen wahrscheinlich gerne zur Schule und haben Spaß daran, etwas Neues zu lernen. Gerade wenn es um Mathe, oder aber auch Kunst geht, ist es für viele doch eher der Zwang anstatt die pure Freude. Gute Noten sind aber unerlässlich, um später mal einen Ausbildungs- oder Studienplatz zu bekommen.
Und auf unserer Bildung baut sich sozusagen unser gesamtes Leben auf. Die Bildung entscheidet (sehr oft), mit welchen Personen wir verkehren und in welchen sozioökonomischen Verhältnissen wir leben. Von daher muss es von enormer Wichtigkeit sein, die heutigen Kinder zu fördern, damit Sie das bestmögliche in ihrem Leben erreichen können. Eine dieser Maßnahmen sind sogenannte kognitive Trainings. Hierbei sollen gezielt die Wahrnehmung, das Denken und das Gedächtnis trainiert werden, damit das Lernen leichter fällt. Kurzum: das Arbeitsgedächtnis wird trainiert!
Arbeitsgedächtnis: “Schaltzentrale unseres Körpers”
Unser Arbeitsgedächtnis… Quasi die Schaltzentrale unseres gesamten Körpers. Hier gehen alle (ja, wirklich alle!) Informationen ein, die wir irgendwie wahrnehmen. Das können Worte von anderen Personen sein, oder aber auch visuelle Reize, wie eine rote Ampel oder Reize, die unser Körper mit anderen Sinnesorganen aufnimmt. Egal was es ist, der Eingang zu unserem Gehirn ist der Arbeitsspeicher. Wollen wir ein Gespräch führen, muss das Gesagte in unser Gehirn gelangen. Unser Arbeitsspeicher verarbeitet die Informationen und entscheidet dann, ob er diese Dinge abspeichert, eine Handlung folgen lässt oder einfach alles wieder löscht. Sagt unser Gegenüber bspw. einfach nur „Tschüss“ am Ende einer netten Unterhaltung, muss dieses Wort nicht ins Gedächtnis weitergeleitet werden.
Wir müssen uns später nicht mehr daran erinnern, diese Information ist also mehr oder weniger unwichtig. Aber unsere Höflichkeitsformen haben uns beigebracht, dass wir uns ebenfalls verabschieden müssen, sodass unser Arbeitsspeicher dem Sprachzentrum den Befehl gibt, zu antworten. Sehen wir eine rote Ampel, weiß unser Arbeitsgedächtnis, dass wir stehen bleiben sollten, weil es sich mit dem Gedächtnis kurzschließt. Dieses hat die Erfahrung gemacht, dass eine rote Ampel Stillstand bedeutet. Also befielt unser Arbeitsgedächtnis unserem motorischen Zentrum, stehen zu bleiben. Sie sehen also: ohne unser Arbeitsgedächtnis wären wir kaum lebensfähig.
Arbeitsgedächtnis verbessern durch gezieltes Gehirntraining
Die Kapazität und Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses ist bei jedem Menschen individuell. Das heißt aber nicht, dass diese Leistung einmal angeboren und nicht mehr veränderlich ist. Durch gezieltes Training können wir Leistung und Kapazität enorm steigern. Die Gehirnareale, in denen unser Arbeitsgedächtnis verortet ist, sind entwicklungstechnisch übrigens absolute Spätzünder. Ist ja auch nicht weiter verwunderlich, jetzt wo wir wissen, welch wichtige Aufgabe das Arbeitsgedächtnis zu erfüllen hat. Frontal- und Parietallappen entwickeln sich langsam und über die gesamte Kindheit und Jugend hinweg. Und bei dieser Entwicklung können wir einwirken, bzw. sie unterstützen.
Was hat unser Arbeitsgedächtnis mit dem Schulerfolg zu tun?
Im Grunde ist es ja ganz einfach. Wenn der Pauker vorne an der Tafel steht und versucht, uns das kleine Einmaleins zu erklären, brauchen wir ein funktionierendes Arbeitsgedächtnis. Schließlich muss das, was der Lehrer uns erzählt, erst einmal in unseren Ohren und dann in unserem Gehirn ankommen. Vielleicht kennen Sie es von sich selber, dass man sich manchmal so gar nicht konzentriert und lieber vor sich hin träumt? Mit einem gut trainierten Arbeitsgedächtnis können wir uns besser konzentrieren.
Außerdem ist das Arbeitsgedächtnis dann auch besser in der Lage, die zufließenden Informationen (hier das kleine Einmaleins) einzuordnen und es zu verarbeiten. Wenn die Information also eingeht, hält das Arbeitgedächtnis kurz Rücksprache mit dem Gedächtnis. Es wird überprüft, ob Anfänge dieses Wissens bereits vorhanden sind und ob es sich lohnt, diese Informationen abzuspeichern. Das Gedächtnis eines Kindes in der Schule wird hierauf wahrscheinlich antworten, dass alles, was in der Schule erzählt wird, abgespeichert werden sollte. Und genau das befolgt das Arbeitsgedächtnis dann. Sie sehen also: ohne Arbeitsgedächtnis kein Lernerfolg!
Einfluss auf Lernfähigkeit und Intelligenz
Neuste Studien haben sogar belegt, dass die Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses zum Lernen mindestens genauso wichtig ist, wie die angeborene Intelligenz!
In der Forschung wurde vor allem der Zusammenhang zwischen dem Arbeitsgedächtnis und der sprachlichen sowie der mathematischen Leistungsfähigkeit untersucht. Je besser das Arbeitsgedächtnis, desto besser die Leistungen in Mathematik, Lesen und Schreiben. Bei Untersuchungen mit Grundschülern fand man heraus, dass der Zusammenhang sich je nach Klasse und Lernstand veränderte und andere Bereiche des Arbeitsgedächtnisses benutzt wurden. Während Schüler der ersten Klasse Matheaufgaben z. B. durch einfaches Zählen lösen (räumliches Arbeitsgedächtnis), benutzen Schüler der dritten Klasse bereits ihr verbales Arbeitsgedächtnis und rufen Faktenwissen, wie bspw. das kleine Einmaleins, ab. Mehr dazu auch hier.
Lernstörungen bei Schülern
Und im Umkehrschluss heißt dieser Zusammenhang auch, dass viele Lernstörungen (z. B. Lese- und Rechtschreibschwäche, Probleme mit Kopfrechnen) mit einer verminderten Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses zu erklären sind. Das diese Defizite eine nicht wirklich positive Auswirkung auf den Schulerfolg haben, dürfte wohl jedem klar sein…
Ohne ein funktionierendes Arbeitsgedächtnis hätten wir in Sachen Schule also mehr als schlechte Karten. Aber heißt das nun gleichzeitig, dass die schulischen Leistungen verbessert werden können, wenn ein gezieltes Arbeitsgedächtnistraining stattfindet?
Arbeitsgedächtnis und der Transfereffekt
Die Wissenschaft ist sich zu dieser Frage ausnahmsweise mal ziemlich einig und bejaht dies eindeutig! Werden regelmäßig Aufgaben zur Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses durchgeführt, können ebendiese Aufgaben innerhalb kürzester Zeit immer sicherer gelöst werden. Auch computerbasiertes Training zeigt klare Erfolge. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der sogenannte Transfereffekt. Hierunter versteht man eine Übertragung von einem Lernbereich auf den anderen. Bei Übungen, die darauf abzielen, sich für einen kurzen Zeitraum Informationen abzurufen, können sich auch die Fähigkeiten zum logischen Schlussfolgern und zur Impulskontrolle (Unterdrückung von unangebrachten Handlungen) sowie die Aufmerksamkeit verbessern.
Solche Transfereffekte konnten mittlerweile auch bei Kindern mit ADHS-Symptomatik nachgewiesen werden. Allerdings scheint es so, dass der Transfer nicht automatisch und von ganz alleine geschieht, sondern dass gewisse Einflüsse ihn mit steuern. Hierzu zählt bspw. die Intensität des Arbeitsgedächtnistrainings, aber auch die Leistungsfähigkeit vor Beginn des Trainings und die persönliche Motivation. Außerdem wurden je nach wissenschaftlicher Untersuchungsmethode leicht abgeänderte Ergebnisse erreicht. Von daher sind Aussagen zum Transfer (noch) mit ein wenig Vorsicht zu genießen…
Fest steht jedoch mittlerweile, dass ganzheitliche Trainings mehr Erfolg bringen wie Übungen, die sich nur auf einzelne Bereiche des menschlichen Gehirns beziehen.
Fazit: Nachhaltiges Arbeitsgedächtnistraining lohnt sich also in jedem Falle. Und zwar ganz egal, wie alt Sie sind!